Themenkomplex 1: Innovative Learning-Analytics-Methoden für den MINT-Unterricht
1.1 Modellierung von Erwerb und Nutzung von Fachsprache im Physikunterrricht
In den MINT-Fächer gehört das Schreiben von Versuchsprotokollen zu den fachsprachlich anspruchsvollen Aufgaben, deren Progression von der 5. bis 13. Klassenstufe in der Schule angestrebt wird. Die Nutzung maschineller Auswerteverfahren und der Modellierung der Lernprogression kann hier die Lehrkraft bei der Korrektur und der individuellen Förderung unterstützen. Der fachspezifischen Terminologie kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Im Projekt soll für die Physik über den Aufbau einer schulbezogenen Terminologiesammlung und die Verwendung von Verfahren wie künstlichen neuronalen Netzen eine anwendungsorientierte Auswertung von Protokollen erzielt werden. Der Transfer der gewonnenen Erkenntnisse von der Physik auf andere MINT-Fächer wird angestrebt.
1.2 Ontologiebasierte Modellierung von Lernendenprofilen und Lehrplänen
Open Educational Resources haben das Potenzial, die Gestaltung von Lehreinheiten maßgeblich zu vereinfachen. Dafür muss es jedoch für Lehrpersonen möglich sein, geeignete Materialien effizient zu finden. Hier wird untersucht, wie, basierend auf formaler Modellierung von Lehrplänen und Fachkonzepten, passgenaue Lehrmaterialien aus OER-Repositorien auffindbar gemacht werden können.
1.3 Semi-automatische Klassifizierung von Schülerzeichnungen und Texten in den MINT-Fächern
Individuelle Vorstellungen über naturwissenschaftliche Vorgänge können auf Basis von Freitextbeschreibungen und Zeichnungen der Lernenden ermittelt werden. Deren detaillierte Analyse ist jedoch eine zeitaufwendige Aufgabe für Lehrpersonen, die im Schulalltag nicht zu bewältigen ist. Hier werden automatische Methoden der Bild- und Textanalyse unter Verwendung von Methoden des maschinellen Lernens und semantischen Wissensgraphen exploriert, um diesen Arbeitsschritt zu unterstützen.
Themenkomplex 2: Lernpotenziale
2.1 Analyse individueller Aufgabenbearbeitungen (Text und Zeichnung) zur Vorbereitung einer kollaborativen Arbeitsphase zur Konzeptförderung
In einem kollaborativen Lernsetting werden Fragen der Gelingensbedingungen einer automatisierten Analyse von Aufgaben verschiedener Formate (Multiple Select, offener Text und Zeichnungen) für eine adäquate Zuordnung in Kleingruppen untersucht.
2.2 Datengestützte individuelle Lernempfehlungen
Modellierung einer Konzeptstruktur für ein biologisches und/oder chemisches Thema, die wissenschaftliche und alltägliche Verständnisse umfasst. Darauf aufbauende Adaption von Learning Analytics Methoden, die eine Diagnose von individuellen Verständnissen und die Lernempfehlungen erlauben.
2.3 Formatives Assessment im Klassenzimmer gestützt durch maschinelles Lernen
Im Schulunterricht fallen kontinuierlich und auch bei formativen Assessment-Methoden große Datenmengen an, die von einer Lehrkraft kaum mit vertretbarem Zeitaufwand adäquat ausgewertet und genutzt werden können. In diesem Projekt wird untersucht wie derartige Daten mit Methoden des maschinellen Lernens effizient ausgewertet werden können und Lehrkräfte und Lernende diese im Lehr-Lernprozess nutzen.
2.4 Förderung des Übergangs von angeleiteten zum selbstständigen Problemlösen in der Physik durch automatisch an Lernfortschritte angepasste Lernressourcen
Methoden der Learning Analytics sollen gezielt eingesetzt werden, um Lernenden der Sekundarstufe I individuell an den Lernfortschritt angepasste Lernmaterialien zur Verfügung zu stellen, um so beispielsweise die für Anfänger*innen typischen Verstehensillusionen zu vermeiden, oder das für Expert*innen typische antizipatorische Vorgehen zu fördern.
2.5 Learning Analytics zur Lernprozessanalyse im inklusiven Chemie-Unterricht unter Nutzung des Universal Design for Learning
Ein Hauptargument für die Nutzung digitaler Medien im naturwissenschaftlichen Unterricht ist die Ermöglichung eines stärker individualisierten Lernens. Wie die Nutzung von z. B. iPads im Unterricht mittels Learning Analytics automatisiert analysiert und unterstützt werden kann, ist Gegenstand dieses Forschungsprojektes.
Themenkomplex 3: Übergang von Schule zu Hochschule
3.1 Entwicklung und Evaluation digitaler Unterstützung bei Aneignung struktureller Praxeologien im Übergang von der Schul- zur Universitätsmathematik
Für die Mathematik an der Universität sind insbesondere sog. strukturelle Konzepte bzw. Praxeologien (Hausberger, 2018) bedeutsam. Damit verknüpfte mathematische Praktiken betreffen u.a. Begründungen unter Bezug auf Objektmengen, Beziehungen zwischen Objektmengen und strukturinvariante Operationen. Mit Blick auf solche Praxeologien in der Analysis und der Algebra sollen konkrete Vorschläge für digitale Unterstützungsmaßnahmen im Übergang Schule-Hochschule entwickelt und in einem Design-Based-Research-Ansatz evaluiert und optimiert werden.
3.2 Untersuchung des Einflusses des Lehr-/Lernsettings auf die Wirksamkeit von Vorkursen und Entwicklung digitaler Verfahren zur Unterstützung
Das Ziel der Vorkurse an der Ostfalia Hochschule ist neben dem Auffrischen und Festigen der Grundlagenmathematik, die Verbesserung des konzeptionellen Verständnisses und die Förderung selbständigen Lernens. Es soll die Wirksamkeit der dafür verwendeten Lehr-/Lernsettings untersucht werden. Diese basieren wesentlich auf aktivierenden Methoden. Basierend auf den Untersuchungen sollen gezielt digitale Verfahren entwickelt werden, die die positiven Effekte unterstützen.
Themenkomplex 4: Informelles Lernen in Schule und Hochschule
4.1 Data Analytics für informelles Lernen im Schulkontext
Viele Schüler nutzen heutzutage informelle Lernressourcen im Web, um sich neue Inhalte zu erschließen. Hier soll das im Rahmen kontrollierter Lernsettings aufgezeichnete Suchverhalten von Schülern analysiert werden. Ziel ist es, förderliche Verhaltensweisen zu identifizieren und Wege für deren Unterstützung, insbesondere durch individuelle Empfehlungen, zu entwickeln.
4.2 Nutzung informeller Medien zur Beseitigung von Wissenslücken in der Grundlagenmathematik
Entwicklung von Lehr-/Lernsettings zur Nutzung informeller Medien (YouTube, etc.), welche die Medienkompetenz von Studierenden in der Grundlagenmathematik und damit den Lernerfolg gezielt verbessern.
4.3 Analyse und Modellierung der Förderung mathematischer Enkulturation im Übergang Schule-Hochschule durch Prozesse informellen Lernens
Mathematische Enkulturation entstammt neueren, soziokulturellen Theorien (Pepin 2014). Adressiert wird damit die subjektbezogene Teilnahme an sog. „authentischen“ Aktivitäten der neuen, hochschul-mathematischen Kultur. Das umfasst die Übernahme von Beliefs, Werten, Zielen, Vorgehensweisen und eine Anpassung der eigenen Identität. Der Beitrag von Aktivitäten des digitalen informellen Lernens zur mathematischen Enkulturation ist bisher nicht untersucht, was auch an mangelnden Daten liegt. Verfahren der Learning Analytics bieten hier neue Möglichkeiten zur Analyse und Modellierung relevanter Prozesse.
Themenkomplex 5: Datenschutz, Fairness und Akzeptanz von Learning Analytics
5.1 Methoden zum Entfernen von Verzerrungen und Diskriminierungen in Learning-Analytics-Modellen
Datengesteuerte Entscheidungsfindung birgt das Risiko der Diskriminierung bestimmter Personen oder Bevölkerungssegmente, die anhand geschützter Merkmale wie Geschlecht, Rasse usw. definiert werden. In diesem Projekt werden wir die Quellen von Verzerrungen und Diskriminierungen sowie Methoden zur Erkennung und Minimierung von verzerrten Entscheidungen im Learning-AnalyticsBereich untersuchen.
5.2 Benutzerfreundliche Konfiguration von Zugangskontrollmechanismen für Learning Analytics
Entwicklung und Evaluation von Verfahren zur sicheren und benutzerfreundlichen Konfiguration von Zugangskontrollmechanismen für Learning Analytics-Daten, die Lehrenden die effektive Nutzung von Daten bei gleichzeitiger Einhaltung von Datenschutzanforderungen erlauben, ohne dabei ein hohes Maß an IT-Sicherheits/-Datenschutz Expertise zu besitzen.
Literatur
- Hausberger, T. (2018). Structuralist Praxeologies as a Research Program on the Teaching and Learning of Abstract Algebra. International Journal of Research in Undergraduate Mathematics Education, 4(1), 74-93.
- Iosifidis, V. & Ntoutsi, E. (2018). Dealing with Bias via Data Augmentation in Supervised Learning Scenarios. In J. Bates, P. Clough, R. Jäschke, J. Otterbacher (Eds.) Proceedings of the Workshop on Bias in Information, Algorithms, and Systems, in conjunction with iConference 2018, Sheffield, United Kingdom, CEUR, 24-29